Leningrad

Ort: SO 36, Berlin, Datum: 30.05.2006

"Иду по улице с довольной рожей..."

Ja, da gehste gestern in Kreuzberg die Straße lang mit zufriedener Fresse und wunderst Dich, warum die Straßen so voll sind und Du trotz 20 Semestern Türkisch an der Volkshochschule heute kein Wort verstehst. Du folgst den Massen und landest im ausverkauften SO 36, wo 14 Typen auf der Bühne stehen und eine wunderbare, aber vorher nie gehörte Musik machen. Ein bisschen klingts ja wie Ska, ein bisschen wie Punk, ein bisschen Lateinamerikanisch und irgendwie auch ein bisschen wie irgendwelche Folklore.

Das Publikum hört sich nicht nur untypisch an, sondern sieht irgendwie auch untypisch aus: die Typen alle mit praktischer Kurzhaarfrisur, aber nicht wie Skins, sondern eher wie Ostler ganz kurz nach der Wende aussahen und die Mädels sind völlig überschminkt und teilweise sogar auf Pfennigabsätzen.

Die einzigsten Leute, die Du vom Sehen kennst, sind die Mädels aus deinem Samba-Tanzkurs und das einzigste, was du immer verstehst, ist Marichuana, Alkogol, Gaschisch und immer wieder hörste überall meinen Namen: "Chuj". Was hieß der nur noch mal, wo kam der nur nochmal her? Komischerweise scheint sich dein Opa, den Du zufällig dabeihast und der in russischer Kriegsgefangenschaft war, mit den Leuten super zu verstehen, obwohl der dort doch nur die übelsten Schimpfwörter gelernt hat.

Jetzt fällt es Dir wie Schuppen von den Ohren, das müssen wohl Russen sein. Über der Bühne hängt ja auch ganz groß das Banner von "Leningrad". Keine Cowboys, nicht "44 Leningrad", sondern die aus der Stadt, die mal so hieß und von denen Du die Hälfte der Leute ja auch schon von "Spitfire" kennst und die Dich auch auf dem "Russendisko"-Sampler schon begeistert haben. "Пизда“, "хуй", "жёпа" ... waren das nicht auch die Wörter, mit denen damals Eugen aus Kasachstan euren Russisch-Unterricht um sinnvolle Vokabeln ergänzt hat? Da ist ja echt klar, dass die in Moskau direkt vom Bürgermeister Auftrittsverbot bekommen haben. Da herrscht noch Ruhe und Ordnung und der Bürgermeister hat noch Macht. Das erklärt auch ein bisschen den Vergleich des Sängers Schnur mit Eminem.

Die Musik hat dagegen mit so was zum Glück überhaupt nix zu tun. Im Gegenteil. Auch Du kannst sofort nicht mehr stillstehen, tanzt, hüpfst, wie verrückt und schreist laut alles mit, obwohl du ja eigentlich gar kein Russisch mehr kannst. Aber Du kannst einfach nicht anders, weil die Musik einfach zu geil und die Atmosphäre zu ansteckend ist. Die kurze Pause brauchst nicht nur Du, sondern auch die 5 Bläser, 3 Schlagwerker und die anderen 6 Musiker und als nach 2 Stunden endgültig Schluss ist, kann eh keiner mehr.

Zu Hause angekommen, lädst Du dir sofort erst mal fünf Alben aus dem Netz, die Du seitdem in Endlosschleife hörst. Das neue Album "hleb" (Brot) gibt's inzwischen in jedem Plattenladen. Dein Russisch ist inzwischen schon ganz passabel, nur die Ukrainer, denen Du deine neuen Kenntnisse letztens ganz stolz erzählen wolltest, waren ganz schon geschockt über die Wortwahl.

Hoffen wir mal, dass Leningrad diesmal nicht wieder 3 Jahre warten, bis sie nach Berlin kommen und zum Glück ist ja am 04.06. auch noch die Ska-Punk-United Tour mit "Distemper", wo Du gleich das Russenfeeling bei noch schnellerem, etwas härteren Ska weiter spüren kannst.

Massenweise kostenlose MP3 s der Band

Deutsche Homepage der Band

Ленинград - Merchandising zu sehr ostigen Preisen
  (von chuj)
chuj


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